Pura Vida – die Freude am Leben
Costa Rica, ein Land, in dem Frieden und Demokratie herrschen, auch bekannt als die sogenannte Schweiz Mittelamerikas, wo schon seit 100 Jahren Schulpflicht besteht. Doch in den Armenvierteln der Hauptstadt San José sieht die Realität anders aus.
In der Kindertagesstätte Ana Frank der ACJ (CVJM) in dem sozial sehr schwachen Stadtteil Purral werden jeden Tag etwa 50 Kinder von null bis zwölf Jahren betreut, die sonst ihren Alltag auf der Straße verbringen müssten. Ihre Eltern arbeiten den ganzen Tag oder können sich aus anderen Gründen nicht um sie kümmern. Schon früh sind sie gezeichnet von zerrütteten Familien, in denen Gewalt, Alkohol- und Drogenkonsum zum Alltag gehören. Vielen der Kinder fehlt es aber nicht hauptsächlich an Materiellem, sondern an Zuneigung und Wertschätzung.
In der Kindertagesstätte bekommen die Kinder warme Mahlzeiten und Hilfe bei den Hausaufgaben und vor allem ein Stück Geborgenheit. Schon den Kleinsten werden Dinge wie die Farben, Formen, Zahlen und sogar die Buchstaben beigebracht, denn das Schulsystem in Costa Rica weist große Mängel auf. Kann man tatsächlich von Schulpflicht sprechen, wenn der Unterricht regelmäßig aus diversen Gründen ausfällt? Ich habe in meinem Jahr in Costa Rica kaum eine Woche erlebt, in der alle Kinder wirklich jeden Tag Unterricht in der Grund- oder Vorschule hatten.
Der ACJ ist es wichtig, den Kindern christliche Werte und Umgangsformen im Miteinander zu vermitteln. Sie sollen zu eigenständigen Persönlichkeiten werden, denen Gewalt, Aggressivität und Rücksichtslosigkeit nicht Norm für ihr Handeln ist.
Kaum vorstellbar, dass sich in diesem Kontext die „Pura Vida“-Lebensphilosophie der Ticos, wie sich die Costa-Ricaner selbst gern nennen, noch finden lässt. Doch es ist möglich. „Pura Vida“, dieser ureigene Ausdruck der Ticos beschreibt die Freude am Leben. Und gerade bei den Kindern aber auch bei den Mitarbeitenden in der ACJ kann man sie finden. Die Kinder können über Kleinigkeiten in riesengroße Freude ausbrechen und bei einer unerwarteten Umarmung tritt ihnen ein Leuchten in die Augen. Die Mitarbeitenden sind sich dessen bewusst, dass ihre Erfolge begrenzt sind, dass viele Kinder trotz aller Bemühungen später Opfer ihrer Familienbiographie und ihrer sozialen Verhältnisse werden. Ana Frank ist eben nur eine Kindertagesstätte. Trotzdem gehen sie jeden Tag von neuem mit Tatkraft und Motivation, viel Liebe und Engagement an die Arbeit und bemühen sich um jedes einzelne Kind.
Und das zeigt durchaus seine Wirkung. Manuel beispielsweise, sechs Jahre alt, kommt schon seit ein paar Jahren jeden Tag in die Kindertagesstätte. Anfangs hat er nur um sich getreten und geschlagen. Inzwischen hat er gelernt, die Regeln in Ana Frank einzuhalten, die anderen Kinder zu respektieren und er weiß, wo seine Grenzen sind.
In nur einem Jahr in der Kindertagesstätte Ana Frank konnte ich erleben, wie die Kinder sich entwickeln, wie viel Potential in ihnen steckt, das nur entdeckt werden muss, denn bei diesen sogenannten „Problemkindern“ muss man meistens genauer hinschauen, um ihre Talente, Gaben und ihre Liebenswürdigkeit zu sehen. – Und genau das tun die Mitarbeitenden der ACJ.
Nora Schröder, Freiwillige 2011/12 im „weltwärts“-Programm (im Freiwilligenprogramm des CVJM)
Der ACJ Costa Rica ist Partner des CVJM Pfalz.
Die Arbeit des „Ana Frank“ wird durch Aktion Hoffnungszeichen unterstützt.