„Ich bin nicht aus der Welt“ – Interview mit Roland Werner
Nach vierjähriger Tätigkeit als Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes in Deutschland e. V. wird Dr. Dr. Roland Werner auf eigenen Wunsch zum 31. März 2015 aus dem Amt des Generalsekretärs ausscheiden. Er will sich in Zukunft noch stärker auf inhaltliche, schriftstellerische und verkündigende Arbeit konzentrieren, als es in den Jahren seines Dienstes im CVJM-Gesamtverband möglich war. Wenige Wochen vor seiner Verabschiedung erklärt er im Interview, wie es für ihn weitergeht, worauf er gern zurückschaut und in welcher Form er dem CVJM erhalten bleibt.
Roland, deine Zeit als Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbands neigt sich dem Ende zu. Wie geht es für dich jetzt genau weiter?
Ich bete um Gottes Führung für den nächsten Abschnitt. Es ist noch völlig offen, wie es weitergeht. Dennoch sind manche Eckpunkte schon klar. Erstens, Verkündigung: Es sind noch viele Verkündigungsdienste im Jahr 2015 geplant, viele davon in CVJM-Ortsvereinen, die ich auch wahrnehmen werde. In der Zukunft will ich auf jeden Fall noch mehr Zeit und Kraft in die direkte Verkündigung und Evangelisation investieren, im Inland und im Ausland. Zweitens, Schreiben: Einige Buchprojekte sind geplant bzw. ich bin mittendrin und brauche Zeit zum Weiterschreiben.
Drittens, Bibel: Und dann möchte ich mich vor allem der Bibelübersetzung widmen – dem schon lange währenden Bibelprojekt in Afrika und vielleicht auch dem Alten Testament für meine deutsche Übersetzung „das buch“. Viertens, Zeit für Mentoring: Das ist mir auch sehr wichtig: Ich möchte mir wieder mehr Zeit für Menschen nehmen können, vor allem für junge Leiter – in Mentoring, Coaching und geistlicher Begleitung. Das sind vier Eckpunkte, die ich jetzt schon sehe, neben manchen Ehrenämtern, die bleiben, wie zum Beispiel dem Vorsitz von proChrist. Und was darüber hinaus noch kommt, wird sich zeigen. Eine mögliche weitere Richtung ist Lehren und Forschen im Hochschulbereich. Und auch die Begleitung missionarischer Gründungsprojekte.
Woran erinnerst du dich in deiner Zeit beim CVJM gern zurück, was hat dir Freude bereitet?
Schon vor meiner Zeit als Generalsekretär des CVJM-Gesamtverbandes hatte ich viele Freunde und Verbindungen im CVJM, durch JesusHouse, und natürlich durch die drei Christivals, die ich als Vorsitzender geleitet habe, in Dresden 1996, in Kassel 2002 und in Bremen 2008. Und natürlich auch durch die fast sechsmonatige Mitarbeit meiner Frau Elke und mir beim Pavillon der Hoffnung in Hannover im Jahr 2000.
Wenn ich auf die CVJM-Zeit 2011 bis 2015 schaue, sind es vor allem die Begegnungen mit CVJMern vor Ort, und auch die internationalen Kontakte, die mir am meisten Freude gemacht haben. Gerade im YMCA Europe und auch auf der Weltebene konnte ich mithelfen, dass das „C“ im „YMCA“ wieder stärker wahrgenommen und ernst genommen wird. Das haben mir viele internationale YMCAler zurückgemeldet. Auch die Freundschaften gerade im Kreis der Generalsekretäre waren und sind wertvoll, und werden sicher auch bleiben.
Der Unterricht an Kolleg und Hochschule war eine wertvolle Erfahrung. Von jungen Leuten kann ich viel lernen. Und was mich besonders dankbar macht, ist, dass meine Vision, das Reformationsjubiläum 2017 missionarisch – und öffentlichkeitswirksam – zu nutzen, nicht mit meinem Weggang begraben wird, sondern dass viele CVJMer die große Chance, die in diesem Jahr liegt, erkannt und sich zu eigen gemacht haben.
Wofür bist du dankbar?
Ich finde, wir konnten in den vergangenen Jahren sowohl im Bildungswerk als auch im Gesamtverband hoch engagierte und kompetente Mitarbeiter einstellen. Dass ich daran mitwirken konnte, macht mich dankbar. Wir haben ein neues Bewusstsein entwickelt, dass wir uns konzentrieren müssen und nicht einfach immer weiter wachsen können, ohne die finanziellen und strukturellen Grundlagen dafür zu haben.
Ich bin dankbar, dass wir einen guten architektonischen Planungsentwurf für ein CVJM-Zentrum auf unserem Campus an der Hugo-Preuß-Straße 40-42 entwickeln konnten und ich dabei konzeptionell mithelfen konnte. Dankbar bin ich auch, dass ich mithelfen konnte, dass das „Institut für missionarische Jugendarbeit“ immer mehr Kontur gewinnt, und wir jetzt mit einer Publikationsreihe zu missionarischer Jugendarbeit starten werden.
Was mich besonders freut, ist, dass es gelungen ist, die Unterstützung des Gesamtverbandes für die großartige Ausbildungsarbeit für behinderte junge Menschen im Westjordanland, „Lifegate“ in Beit Jala, zu stabilisieren, indem wir den Leiter Burghard Schunkert auch weiterhin vom Gesamtverband aus anstellen. Das sind einige Beispiele dafür, wo ich helfen konnte, dass feste Grundlagen gelegt und eine gute Richtung eingeschlagen wurde.
Die Früchte davon werden wir in den kommenden Jahren sehen dürfen. Und nicht zu vergessen: Wir hatten viel Spaß! Neben aller Arbeit wurde immer wieder herzhaft gelacht. Nicht zuletzt kürzlich beim Begegnungsabend zwischen Dozentinnen/Dozenten und Referentinnen/Referenten in Dassel, als unser Team beim Kegeln nach langem, erbittertem Wettkampf doch gewonnen hat!
Was wirst du vermissen?
Sicher die Menschen, auch und gerade im Gesamtverband und im Bildungswerk. Da sind sehr viele engagierte, ehrliche und humorvolle Menschen versammelt. Aber: Ich bin nicht aus der Welt und Kassel ist auch nicht weg von der Landkarte. Was ich wohl nicht vermissen werde, ist die (fast) tägliche Autofahrt von Marburg nach Kassel. Obwohl ich die Zeit meist gut nutzen konnte – mit Bibelhören, Telefonieren oder auch, wenn ein Mitfahrer dabei war, durch Bearbeitung von Mails oder anderen Texten.
Wirst du dem CVJM erhalten bleiben?
Auf jeden Fall! Das „Reich des Meisters unter jungen Leuten auszubreiten“, bleibt meine Lebensberufung. Und: Ich werde beim missionarischen Projekt zum Reformationsjubiläum in der kreativen Untergruppe für Wittenberg weiter mithelfen. Sowohl bei der Ideen-Entwicklung und Durchführung als auch, bei der Spendeneinwerbung, heute vornehm „Fundraising“ genannt. Und offenbar haben viele CVJM-Ortsvereine nach wie vor Interesse daran, dass ich sie besuche und mit Predigten und Vorträgen ermutige.
Das mache ich gern auch in der Zukunft, überall, wo ich gefragt werde. Und jetzt geht’s gleich los nach Indien, wo ich beim 125-jährigen Jubiläum des YMCA-Nationalverbandes die Festansprache halten darf. Also: CVJM ist für mich nicht „Geschichte“, sondern ebenso Gegenwart und Zukunft.