Die Anziehungskraft des Kreuzes
Impuls zum Wochenspruch 20. Mai – 26. Mai 2012
Christus spricht: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen“. Joh 12,32
„Alexamenos betet seinen Gott an!“ Das ist die Unterschrift einer Spottkritzelei im Rom im 1. Jahrhundert. Sie zeigt einen gekreuzigten mit Eselskopf. Die Aussage ist klar: Das ist doch verrückt, dass irgendjemand einen gekreuzigten Menschen anbetet. Das ist so, als würde man einen Esel anbeten! Und so verspottet der Zeichner seinen Bekannten Alexamenos, der genau so etwas Verrücktes tut, nämlich den gekreuzigten Jesus anzubeten.
Das Kreuz war für die Menschen der Antike das Allerletzte. Ein römischer Bürger durfte nicht gekreuzigt werden. Die Kreuzigung war die Hinrichtungsart für Sklaven, Barbaren, Hochkriminelle. Dass Jesus gekreuzigt wurde, schloss ihn von vornherein aus der feinen Gesellschaft aus. Dass es jetzt Menschen gab, die gerade ihn für Gottes Gesandten, ja sogar für den Sohn Gottes, hielten, war unerhört.
Umso erstaunlicher ist es, dass im Neuen Testament das Kreuz, genauer gesagt, das Sterben von Jesus am Kreuz, diese zentrale Rolle spielt. Im Johannesevangelium wird es mit einem noch erstaunlicheren Wort bezeichnet: Erhöhung. Ein Begriff, der eigentlich für eine Thronbesteigung, verwendet wird, für eine Verherrlichung und Bestätigung, legt sich über das Geschehen am Kreuz, das nach menschlichem Verständnis die größte Erniedrigung bedeutet.
Dass Jesus beides im Blick hatte, ist klar. Erniedrigung und Erhöhung, Kreuzigung und Auferstehung, sind Teil eines Gesamtgeschehens. Hier geschieht das Heil für die Welt. Hier greift Gott unwiderruflich in die Geschichte ein. Hier ist der Ort der Erlösung. Hier finden Menschen wieder zu Gott zurück.
Davon spricht Jesus hier: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Es sind die ausgebreiteten Arme des Gekreuzigten, die die Menschen zu sich ziehen. Hier offenbart sich die Liebe Gottes in einzigartiger Weise. Und sie gilt allen, ohne Unterschied. Wer das versteht, der wird verwandelt. Und er wird einstimmen in das Lob der wunderbaren Gnade, die auch ihn zu sich gezogen hat.