Weltbundgebetswoche: Donnerstag

„Die Tochter des Pharao kam herab, um im Nil zu baden. Ihre Dienerinnen gingen unterdessen am Nilufer auf und ab. Auf einmal sah sie im Schilf das Kästchen und ließ es durch ihre Magd holen. Als sie es öffnete und hineinsah, lag ein weinendes Kind darin. Sie bekam Mitleid mit ihm und sie sagte: Das ist ein Hebräerkind.

Da sagte seine Schwester zur Tochter des Pharao: Soll ich zu den Hebräerinnen gehen und dir eine Amme rufen, damit sie dir das Kind stillt? Die Tochter des Pharao antwortete ihr: Ja, geh! Das Mädchen ging und rief die Mutter des Knaben herbei.

Die Tochter des Pharao sagte zu ihr: Nimm das Kind mit und still es mir! Ich werde dich dafür entlohnen. Die Frau nahm das Kind zu sich und stillte es.

Als der Knabe größer geworden war, brachte sie ihn der Tochter des Pharao. Diese nahm ihn als Sohn an, nannte ihn Mose und sagte: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.“

(2. Mose 2, 5-10)

Weltbundgebetswoche 2014

Weltbundgebetswoche 2014

Die Dienerinnen der Tochter des Pharaos: Unterstützung und gelebte Solidarität

Und wieder: die Dienerinnen im Gefolge der Tochter des Pharaos haben keine Namen. Für Dienerinnen oder Sklavinnen oder häusliche Bedienstete scheint das normal zu sein. Das ermöglicht es der Gesellschaft, ihre persönliche Identität zu ignorieren. Trotzdem sind sie wie ein „Team“ für die Tochter des Pharaos. Während sie mit ihr am Flussufer entlang laufen, sind sie an ihrer Seite wenn sie den sicheren Ort des Wohlstands und der Macht verlässt. Sie werden „nacarot“ genannt. Das Wort bezeichnet junge Frauen, es kann aber auch Dienerinnen oder Sklavinnen bedeuten. Wie auch immer, sie sind jung, genauso wie die anderen Töchter in dieser Geschichte.

Eine der Dienerinnen spielt eine hervorgehobene Rolle. Sie hat einen besonderen Titel und wird „amah“ genannt. Es ist die Bezeichnung für eine Ehefrau ohne alle Rechte. Sie könnte die erste, zweite oder dritte Ehefrau sein; auf jeden Fall ist sie abhängig – aber von wem? Vom Pharao? Das würde sie in die nächste Nähe des Pharaos stellen und den Kontrast zwischen dem Pharao und der Rettungstat seiner Tochter verschärfen. Sicher ist sie keine Frau, der es gestattet ist, der Tochter des Pharao Befehle zu erteilen. Im Gegenteil, sie erhält Anweisungen von ihr.

Diese sozial benachteiligte Frau sticht heraus aus der Gruppe der Dienerinnen durch den besonderen Titel („amah“) und durch ihre Tat. Sie führt die entscheidende Tat aus: Sie soll für die Tochter des Pharaos die kleine Arche aus dem Wasser holen und das Körbchen zum Ufer ziehen. Indem sie das Kind rettet verlässt sie die Anonymität der Gruppe und tritt in den Mittelpunkt der Szenerie. Dass sie auf Befehl der Tochter des Pharaos handelt, gibt ihr eine besondere Rolle. Sie steht repräsentativ für alle Frauen, die keine leitende Funktion haben, aber bereit sind zu handeln, wenn es erforderlich ist. Weil ihr Status von Abhängigkeit geprägt ist, muss sie die Szene wieder verlassen und nur die Tochter des Pharaos wird als die Retterin von Mose in Erinnerung bleiben.

Die Dienerinnen sind offensichtlich nicht die Handelnden. Sie laufen nur am Ufer des Nils entlang. Obwohl sie nicht (wie die „amah“) aktiv an der Rettung des Kindes beteiligt sind, sollte man ihre Rolle und Wichtigkeit nicht unterschätzen. Sie begleiten die Tochter des Pharaos und geben ihr eine Art Hintergrund, Schutz und Unterstützung, wie eine Gruppe von Freunden. Auch wenn sie unter Aufsicht leben und einen niedrigen Status haben, gehören sie doch an denselben Platz, zum Palast und zur herrschenden Familie. Innerhalb des Systems müssen sie sich entscheiden, wen sie unterstützen; den Pharao oder seine Tochter. Beide repräsentieren die dominierende, kraftvoll herrschende Familie. Aber eine Person in diesem System, die Tochter, hat außerhalb des gültigen Regelwerks gehandelt. Was werden sie tun?

Die Dienerinnen zeigen und leben ihre Solidarität mit der Tochter. Sie  hindern sie nicht daran, das Kind zu retten. Tatsächlich kann sie sich auf sie und ihre Solidarität verlassen. Wäre es nicht ein Leichtes für eine der Dienerinnen gewesen, die Tat dem Pharao zu melden, um für sich ein besseres Leben zu erlangen? Oder sie hätte das Kind wieder aussetzen können, um auf den Befehl des Pharaos zu bestehen? Aber nichts von dem passiert. Die Dienerinnen zeigen, dass nicht nur mächtige Personen bestehende Strukturen verlassen und eine eigene Entscheidung treffen können. Auch die Abhängigen, Schwachen und offensichtlich Machtlosen innerhalb eines Systems können die Herausforderung annehmen und eigene Entscheidungen treffen. Nichts tun ist genauso eine Tat, wie aktiv zu handeln.

Die Tochter des Pharaos handelt wie die Leiterin einer Gruppe von  jungen Frauen, die ihr Leben teilen, wenn auch in einer untergeordneten Position. Sie bezieht die Dienerinnen in ihr Handeln ein. Sie nimmt sie mit. Sie lässt sie teilnehmen an ihrer politischen und menschlichen Geste. Sie bespricht sich nicht mit ihnen, aber sie ermöglicht es ihnen, Solidarität mit ihr aufzubauen – Frauen, die eigentlich keine eigene Stimme haben. Aber sie weiß, dass sie eine Entscheidung fällen können.

Manchmal werden Frauen, die in einer Gruppe recht still und unauffällig sind, übersehen und falsch beurteilt. Diese stille Solidarität ist wichtig und kann Entscheidungen unterstützen, zu einer eigenen Meinung ermutigen und die Solidarität vergrößern. Sie mögen sie nicht offen aussprechen, aber sie können die Option für das Leben wählen – und ganz überraschend handeln.

Weltbundgebetswoche 2014

Weltbundgebetswoche 2014

Fragen zur Reflektion

  • Wie erfährst du Leiterschaft in deinem CVJM?
  • Wo ist Platz für weniger sprachfähige oder unscheinbare Menschen?
  • Die Dienerinnen der Tochter des Pharaos unterstützen sie still. Leitung erfordert, auch den Beitrag von stillen Personen zu erkennen und anzuerkennen.
  • Welche stillen oder distanzierten Mitglieder deines CVJM kennst du, die euch dennoch unterstützen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeit?
  • Halte Ausschau nach Menschen die solidarisch sind, aber im Abseits stehen.

Gebet

Gott, jedes namenlose menschliche Wesen hat einen Namen, der in deine Handflächen eingraviert ist (Jesaja 49,15). Aber viele Menschen müssen damit leben, dass sie nie bei ihrem Namen genannt werden. Sie werden nicht als Individuen anerkannt, sondern nur durch ihren Status – Migrant, Dienerin, Muslim, Christ, Flüchtling. Hilf uns, tiefer zu blicken, jeden Menschen als eigenständige Person anzusehen und jeden Menschen wertzuschätzen als ein Bild von dir. Sende uns deinen Geist, oh Herr.

Dr. Ulrike Bachmann
(S. 19-21, Heft des Weltbundes zur Gebetswoche)

Gebetsanliegen

Wir beten für das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (EJW)

  • und danken für die vielfältigen Weltdienst-Projekte, die Begegnungsreisen und Work Camps.
  • Wir danken für den Einsatz der drei deutschen Freiwilligen in der evangelischen Jugendarbeit in der Slowakei und für das Engagement der zwei Freiwilligen im YMCA in Äthiopien. Wir bitten bei ihrem Dienst um Bewahrung und viele eindrückliche Erfahrungen.
  • Wir bitten dich für die Jugendarbeit in Rumänien, stärke du die Mitarbeitenden.
  • Wir beten für Frieden und Sicherheit in den von Spannungen zerrissenen Regionen im Sudan und Südsudan, Nigeria, Israel und Palästina.
  • Wir bitten für Eritrea und um Schutz für alle, die bedroht und verfolgt werden.
  • Wir bitten um Weisheit und Mut für alle, die politische, gesellschaftliche und kirchliche Verantwortung tragen. Wir bitten um Frieden und Versöhnung und deinen Segen.

Wir beten für die Lateinamerikanisch-Pazifische Allianz der CVJM

  • Für alle Kinder und Jugendlichen in Lateinamerika und der Karibik, dass der YMCA ihnen ein sicherer Ort sein kann, an dem sie lernen, wachsen und sich wohlfühlen können.

Antonio Merino, Generalsekretär der LACA

 

Anregungen aus der Gebetsinitiative „Hörst du mich?“

Der Vorschlag für heute lautet: Kerzentablett

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter abonnieren (Jederzeit wieder abbestellbar)