Gefährliche Rücksichten
Impuls zum Wochenspruch:
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
(Lukas 9, 32)
Rücksichtsvoll leben ist normalerweise eine Tugend. Empfindsam für die Umwelt, für Fragen, Befürchtungen und Trends sein, ist etwas Gutes. Doch – wie alles Gute kann auch zu viel davon zu etwas nicht mehr ganz so Gutem werden. Das gilt allgemein. Es gilt aber offenbar besonders, wenn es um Gottes Reich geht, um das Kommen seiner Herrschaft. Das gilt auch für das Thema Rücksicht.
Das sagt zumindest Jesus in diesem bekannten Merksatz, den seine Jünger sich einprägten. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Das Bild aus der Landwirtschaft leuchtet unmittelbar ein: Ein Landmann, der beim Pflügen nicht nach vorn schaut, sondern zurück, wird keine geraden Furchen ziehen können. Ja, noch mehr, er läuft Gefahr, den Pflug zu beschädigen. Zum Beispiel, wenn ein Gesteinsbrocken in der Erde steckt und die Pflugschar sich verbiegt. Oder wenn die Tiere, die den Pflug ziehen, stolpern und hinfallen.
Der Vergleichspunkt ist klar: Tu das, was du tust, mit ganzer Konzentration! Lass dich nicht ablenken von deiner Aufgabe! Wenn du dich aufmachst für die Königsherrschaft Gottes, dann wende ich nicht anderen Zielen zu! Schau nicht zurück, wenn du in Gottes Zukunft gehen willst.
Rücksicht nehmen kann also genau das Falsche sein. Rücksicht auf die Meinung der Anderen. Rücksicht auf eingeübte Konventionen und eingefahrene Strukturen. Rücksicht aus Feigheit und Angst, aus Furcht vor Repressionen. Rückwärtsblicken aus Gründen der Absicherung.
Nicht nur für unsere Ohren heute klingt das anstößig. Schon die Zeitgenossen von Jesus nahmen Anstoß an seinen Worten. Sie wollten lieber in ihren vorgefertigten Bahnen bleiben. Viele lehnten nach einer Zeit der Faszination den Lehrer aus Nazareth ab. Was er sagte, war ihnen zu radikal. Zu fundamental. Zu herausfordernd.
Wir missverstehen jedoch Jesus völlig, wenn wir meinen, er sei vor allem daran interessiert gewesen, Bestehendes zu verändern. Und wenn wir daraus den Schluss ziehen, dass das Neue grundsätzlich besser sei als das Alte, also die „neue Moral“ statt einer „alten Moral“, neue Formen statt alter Formen. Jesus sanktioniert nicht etwa Revolution an sich. Ganz deutlich macht er: Er ist nicht gekommen, um das Gesetz aufzulösen.
Sondern: Sein Maßstab ist das Reich Gottes, also die herannahende, umfassende Gottesherrschaft. Gott will und soll in dieser Welt zum Zug kommen, mit seiner Gerechtigkeit, seiner Wahrheit, seiner Liebe. Und er sucht Leute, die schon heute Boten dieser kommenden Wirklichkeit sind. Dazu rief er seine Zuhörer aus. Dazu ruft er uns heute.
Bei diesen Aussichten können wir alle Rücksichten getrost hinter uns lassen.