Noah: Die Sintflut erreicht Hollywood

Entdeckt Hollywood die Bibel wieder? Mit Sicherheit bietet die Bibel viele leinwandtaugliche Stoffe – und die produzierten Verfilmungen der verschiedenen biblischen Erzählungen in den letzten 100 Jahren sind kaum zu zählen. Von besonderer inhaltlicher und effektvoller Dramatik erscheint hier besonders die Geschichte um Noah und die Sintflut aus dem 1. Buch Mose, die von Paramount Pictures mit einem Budget von 130 Millionen US$ Anfang April auch in die deutschen Kinos gespült wurde.

Die Tiere kommen zur Arche.

Die Tiere kommen zur Arche.

Der Hintergrund gehört zu den Grand Narratives (Großen Erzählungen) der Menschheit: Als Gott beschließt, die verdorbene Menschheit zu vernichten und die Sintflut schicken will, da erwählt er den gottesfürchtigen Noah und dessen Familie, um eine Arche zu bauen und damit sich und je ein Paar der Tiere dieser Erde zu retten. Darren Aronofsky als Regisseur zaubert mit Schauspielern wie Russell Crowe (Noah), Jennifer Conelly (dessen Frau Naameh), Emma Watson und vielen anderen einen  „fantastischen Film auf die Leinwand, in dem alle Schauspieler absolut glänzen“, so der 18-jährige Elliot Murray.

Zusammen mit Solveig Gresselmeyer und Clara Eppendal hat sich Elliot dieses Action-Drama angeschaut und bewertet. Sie, ebenso wie Marlena Petring und Christopher Pilz, Student der CVJM-Hochschule, konnten sich auf Einladung des Marketings von Paramount Pictures und im Rahmen der medienpädagogischen Projektarbeit der CVJM-Hochschule in Kassel den Film ansehen.

Während die Geschichte um die Sintflut in vielen Mythen und Erzählungen von Völkern weltweit vorkommt, versucht der Film sich auf die biblische Urgeschichte zu konzentrieren, muss aber offenkundig Anpassungen an heutige Themen und Publikumsvorlieben hinnehmen. So ist Elliot zunächst auch irritiert über die fragwürdige biblische Authentizität der Umsetzung, die offenbar auch das Testpublikum bei den ersten öffentlichen Vorführungen des Films zu Kritik veranlasst hatte:

„Was mich jedoch zutiefst stört ist, dass der Film absolut nichts mit der wahren Begebenheit zu tun hat. Es kommt mir vor als wollte uns der Film weismachen, dass Fleisch essen und die Umweltzerstörung etwas mit der Sintflut zu tun hatten.“

Und tatsächlich fragt man sich als theologisch versierter oder doch religiös geschulter Zuschauer ständig, an welchen Stellen der Film in seiner Darstellung jener der Bibel entspricht. Clara (17) hat als bibeltreue Christin den Kinosaal mit gemischten Gefühlen verlassen. Zwar fand sie die Animationen und Trickaufnahmen „…wirklich sehr vorbildlich und aufwändig.“ Beeindruckt sei sie insbesondere von den dargestellten Wassermassen und den animierten Tieren gewesen.

„Jeder der gerne eine Verbindung zwischen Action und Drama mag, sollte in den Film mal reingehen, aber für jeden Christen ist es nur eine primitive Nachahmung und Modifikation der wahren und richtigen Bibelgeschichte“, urteilt sie am Ende.

Solveig (17) steht dem mitreißenden Drama ebenfalls zwiegespalten gegenüber. Blutrünstig und beklemmend erzähle der Film ihrer Meinung nach ansatzweise die Grundzüge der biblischen Geschichte. Doch sie schränkt ein:

„Jeder, der eine realistische Verfilmung der biblischen Erzählung ‚Noah‘ sucht, ist jedoch definitiv falsch in diesem Film.“

Stattdessen würden, so Solveig, Vegetarier möglicherweise besonders angesprochen, da er wirke wie eine Werbe-Kampagne für ein fleischloses Leben und einen nachhaltigen Lebensstil. Aber auch für alle, die weder Vegetarier noch überzeugte Tierschützer seien, lohne sich „Noah“, denn wenn der Film unabhängig davon Zuschauer dazu verleite, die Bibel in die Hand zu nehmen und die Geschichte um Noah und die Arche durchzulesen, habe der Film auf jeden Fall etwas gebracht, lautet ihr Fazit.

Tatsächlich ist der bildgewaltige Film geschickt in eine parallele Erd-Welt gerückt, die gleichzeitig die Urzeit dieser Erde verkörpern könnte, als auch eine  ferne Zukunft. Zukunft oder Vergangenheit also, in der die Menschheit ihre Lebensgrundlagen zerstört und sich selber beinahe ausgerottet hat. Unwirklich ist diese Welt und erinnert latent an Kevin Kostners „Waterworld“ (1995) und bietet zahlreiche visuelle Motive vom „Planet der Affen“.

Eine Welt, in der Gott als „der Schöpfer“ so fern und unpersönlich scheint und Noah allein lässt in seiner Verantwortung für die „Bewohner“ der Arche, dem letzten Rest von Gottes einstmals so großer Schöpfung, dass man sich schon fragt, warum Noah all die Mühen auf sich nimmt.

Ein düsteres Gottesbild ist es ohnedies, das der Film befördert. Der strafende, der unbarmherzige Gott, dem die Fehlbarkeit seiner Schöpfung Mensch seit dem Sündenfall bekannt ist und der – so scheint es –  keine andere Lösung findet als sie zu vernichten?

Es bedarf schon einiger Aufmerksamkeit der Zuschauer, um in seinen Absichten den Wunsch nach Reinigung, nach Läuterung zu erkennen und nicht den Willen zur totalen Vernichtung. Zudem zeigen sich immer wieder Zeichen der Hoffnung und der Zukunft, etwa im Mädchen Illa, die trotz ihrer schweren Verletzungen letztlich doch Zwillinge gebärt und deren Unfruchtbarkeit geheilt wird.

Irritierend wirkt zudem die heilige Schlangenhaut, die den Film rahmt und mit der der „Bewahrungsauftrag“ im Film von einer Generation an die andere übergeben wird. Die Haut der Schlange, die Eva verführte und so als ein Auslöser angesehen werden kann für die Zentrierung des Menschen auf sich, seine Abwendung von Gott und damit das Loslassen der Schöpferhand und den Sündenfall, stellt also aus der Sicht einer bibeltreuen Auslegung eine fragwürdige „heilige“ Reliquie dar.

„Noah ist absolut bildgewaltig und sehenswert. Obwohl man meint, die Handlung sei ja bekannt, überrascht der Film immer wieder mit unerwarteten Wendungen und durchaus drastischen Bildern“, sagt dagegen Marlena Petring und Christopher Pilz fügt hinzu:

“Spannend, wie verschiedene Motive biblischer Geschichten mit in die Noah-Verfilmung eingebunden werden. Die Story wird mitreißend erweitert und bekommt mit den tollen Effekten aktuellen Bezug.“

Aktuelle Bezüge finden sich übrigens auch zuhauf durch Anspielungen an andere populäre Fantasy- und Science-Fiction-Filme. Wirken die gefallenen und von Gott verstoßenen Engel zunächst wie zerklumpte Transformer oder zu ungestalt geratene Steinbeißer und prügeln und zerstampfen sie die auf die Arche drängenden „bösen“ Menschen, damit Noah seine göttliche Mission überhaupt ungestört erfüllen kann, ebenso grimmig, entschlossen und gut animiert wie ihre Brüder im Herrn der Ringe, so schlummert in ihnen doch eine verwundete und geschändete Seele, die im Moment ihres irdischen Todes heimfährt gen Himmel und ihnen die ehrfürchtigen Worte entlockt: „Der Herr… er holt uns nach Hause.“

Sehnsüchtiger ist dies seit den Zeiten von ET im Kino nicht mehr gesagt worden.

Während der Film die einen also beeindruckt in seiner aufwendigen Inszenierung und die anderen durch die vielen Abweichungen von der Originalgeschichte verärgern mag, kann man ihn auf jeden Fall als sehenswert und „diskussionswürdig“ einstufen. Diskussionen befördern Kommunikation. Und was kann schlecht daran sein, den eigenen Nutzen und die Folgen des persönlichen Handelns für die Menschheit zu hinterfragen und zu überlegen, wie Aussagen der biblischen Geschichte und einer Hollywoodinterpretation sich in den Kernaussagen entsprechen? Ein Sprechen über Gott kann der Anfang für vieles sein… wie ein kleines Samenkorn.

(Cindy Gresselmeyer, Prof. Dr. Stefan Piasecki
Forschungsstelle Medienpädagogik, CVJM-Hochschule, Kassel)

 

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