{"id":23392,"date":"2015-11-23T14:10:29","date_gmt":"2015-11-23T13:10:29","guid":{"rendered":"http:\/\/www.cvjm-blog.de\/?p=23392"},"modified":"2015-11-23T14:10:29","modified_gmt":"2015-11-23T13:10:29","slug":"kinder-sind-allein-und-traumatisiert-als-fernstudentin-der-cvjm-hochschule-in-brasilien","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blogarchiv.cvjm.de\/2015\/11\/23\/kinder-sind-allein-und-traumatisiert-als-fernstudentin-der-cvjm-hochschule-in-brasilien\/","title":{"rendered":"Kinder sind allein und traumatisiert \u2013 als Fernstudentin der CVJM-Hochschule in Brasilien"},"content":{"rendered":"
Silke Henkel ist 45 Jahre alt, Architektin und lebt seit 14 Jahren im ostfriesischen St\u00e4dtchen Norden. Neben ihrer Arbeit studiert sie seit drei Jahren im Fernstudium Soziale Arbeit an der CVJM-Hochschule. Im Fr\u00fchjahr 2015 absolvierte sie f\u00fcr diesen Studiengang ein dreimonatiges Praktikum bei der brasilianischen Wohlt\u00e4tigkeitsorganisation \u201eAbba\u201c in S\u00e3o Paulo. Diese arbeitet \u00fcberkonfessionell mit verschiedenen christlichen Gemeinden und Kirchen in S\u00e3o Paulo zusammen und ist verantwortlich f\u00fcr mehrere Pr\u00e4ventionsprojekte, ein Projekt mit Stra\u00dfenkindern und ein Kinderheim, dem Casa Elohim. Finanziert wird diese Arbeit fast ausschlie\u00dflich durch Spenden.<\/p>\n
Silke Henkel mit einer Bekannten am Zuckerhut<\/p><\/div>\n
Im Mai reiste Silke Henkel nach Brasilien. F\u00fcr die Lokalzeitung in Norden berichtet sie anschlie\u00dfend von ihren Erlebnissen:<\/p>\n
Im Mai lande ich am internationalen Flughafen in S\u00e3o Paulo. Nach einigen Tagen Eingew\u00f6hnungszeit in die s\u00fcdamerikanische Kultur fange ich an zu arbeiten. Einen Tag in der Woche helfe ich in einem Pr\u00e4ventionsprojekt namens \u201eArco-\u00edris\u201c (Regenbogen), welches f\u00fcr Vorschulkinder aus einer benachbarten Favela durchgef\u00fchrt wird. Durch dieses Projekte wird versucht, den Kindern fr\u00fchzeitig Alternativen zum Herumlungern auf der Stra\u00dfe zu bieten und die Familien praktisch im Alltag zu unterst\u00fctzen.<\/p>\n
So stellt sich die Millionenstadt S\u00e3o Paulo gern selbst dar: gro\u00df, modern, schick und reich<\/p><\/div>\n
Ricardo, ein brasilianischer Freund von mir, den ich aus Deutschland kenne und hier wiedertreffe, arbeitet ebenfalls hier. Er f\u00fchrt mich durch die benachbarte Favela, aus der die Kinder kommen. Vor einiger Zeit wurde diese Favela niedergebrannt. Die Menschen haben sich notd\u00fcrftig aus Brettern H\u00fctten gebaut, die auf der Asche und dem Schutt der zerst\u00f6rten H\u00e4user stehen. Ich bin geschockt und kann mir kaum vorstellen, dass die Leute, die wir antreffen, dort tats\u00e4chlich \u201eleben\u201c. Ricardo redet mit einem Mann. Hinterher berichtet er mir, dass dieser Mann der Drogenboss dieser Favela sei und zeigt mir die Wege, auf denen die Drogen geliefert und verkauft werden. Ich merke einmal mehr, dass meine Welt zu Hause in Ostfriesland eine ganz andere ist als die, die ich hier antreffe.<\/p>\n
An weiteren drei Tagen pro Woche arbeite ich im Kinderheim \u201eCasa Elohim\u201c. Jedes der Kinder und Jugendlichen hat Eltern, die sich aber zumeist aufgrund von Drogenproblematiken und Obdachlosigkeit nicht um ihre Kinder k\u00fcmmern k\u00f6nnen. Einige Kinder haben beispielsweise mit ansehen m\u00fcssen, wie der Stiefvater versucht hat, die Mutter umzubringen. Kein Wunder, dass die Kinder oft traumatisiert sind, zwischendurch selbst mit Messern, die sie sich aus der K\u00fcche klauen, aufeinander losgehen und sehr bindungsgest\u00f6rt sind.<\/p>\n
Nach und nach finden die Kinder Gefallen an den kreativen Arbeiten mit Silke Henkel und ihren Kollegen<\/p><\/div>\n
Nach und nach kann ich Kontakt zu den \u00e4lteren Kindern herstellen und sie f\u00fcr kreative Bastelarbeiten und ein paar Ausfl\u00fcge begeistern, an denen alle viel Spa\u00df haben. Abends sitze ich meistens noch an ihren Betten und bete mit ihnen. Sie genie\u00dfen das und m\u00f6chten, dass ich m\u00f6glichst gar nicht aufh\u00f6re. Ich w\u00fcnsche mir, dass sie erkennen, dass ihr Vater im Himmel sie sieht, sich um sie k\u00fcmmert und sie unendlich liebt. Sie sind wertvoll f\u00fcr ihn.<\/p>\n
Diese Papiertaschen haben die Kinder unter Anleitung von Silke Henkel gebastelt<\/p><\/div>\n
Gegen Ende meiner Praktikumszeit habe ich noch die Gelegenheit, das Stra\u00dfenkinderprojekt kennenzulernen, was mich tief bewegt und beeindruckt. Fast t\u00e4glich treffen sich die Mitarbeiter vor der gro\u00dfen Kathedrale in S\u00e3o Paulo und machen sich auf die Suche nach den Aufenthaltsorten der Kinder, die immer wieder wechseln, unter anderem, weil sie von der Polizei vertrieben werden. Diesmal treffen wir sie auf einem Nebenplatz der Kathedrale. Die Mitarbeiter haben Spiele (Darts, Federball, Uno und \u00e4hnliches) mitgebracht, die sie regelm\u00e4\u00dfig mit den Kindern spielen. Sie m\u00f6chten ihnen eine Zeit erm\u00f6glichen, in denen sie einfach Spa\u00df haben k\u00f6nnen und Kind sein d\u00fcrfen. Sie versuchen au\u00dferdem im Laufe der Zeit, Beziehungen aufzubauen und das Vertrauen der Kinder zu gewinnen, damit diese den Mut haben, die Chance zu ergreifen, Hilfe anzunehmen. Der erste Eindruck ist sehr verst\u00f6rend, da die Kinder und Jugendlichen (ich sch\u00e4tze sie auf zehn bis 16 Jahre) alle entweder mit einer kleinen Plastikflasche, in der sich Farbverd\u00fcnner befindet, vor der Nase herumlaufen, an der sie permanent schn\u00fcffeln, um sich (und das Hungergef\u00fchl) damit zu bet\u00e4uben. Ersatzweise tragen sie eine Plastikt\u00fcte mit Leim herum, aus der sie die D\u00e4mpfe inhalieren.<\/p>\n