SPD-Vize referiert im Sunderhof
Politik hinter den Kulissen – unter dem Motto führten Sigrid Müller und Friedemann Kretzer durch das Seminar des CVJM Brückenschlag Nord-Ost, zu dem sie am zweiten Adventswochenende ins Tagungs- und Gästehaus „Der Sunderhof“ bei Hamburg einluden. Mit dabei waren drei Berufspolitiker: der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner, sowie Andreas Tietze (Bündnis 90 / die Grünen) und Thomas Castens (niedersächsisches Kultusministerium)
Der prominente SPD-Politiker Stegner, gleichzeitig Partei- und Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, benannte gleich am Beginn eine der Basiskompetenzen, die ein Politiker brauche: Man müsse verlieren können, und das unter den Augen der Öffentlichkeit. Einer Frage aus dem Publikum nach der Notwendigkeit von Mentoren stimmte er voll und ganz zu. Zu Beginn seiner politischen Kariere sei es wichtig gewesen, dass es Menschen gegeben habe, die ihm etwas zugetraut hätten. Allerdings hätten sie ihn nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt.
Tietze: Fairness zahlt sich aus
Andreas Tietze kam in Doppelfunktion: als stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein und als Präses der Synode der Nordkirche. Dem Vorurteil um Intrigen, die laut Meinung vieler ganz selbstverständlich zum Politiker-Alltag dazugehörten, widersprach er entschieden: Nur kurzfristig würden sich Politiker, die mit unfairen Mitteln kämpften, Vorteile verschaffen, langfristig aber zahle sich Fairness aus.
Darüber hinaus berichtete er von der parteiübergreifenden Zusammenarbeit von christlichen Politikern, etwa als es um den möglichen Gottesbezug in der Landesverfassung ging – mit mäßigem Erfolg: Am Ende hätten weder der CDU-Antrag für einen Gottesbezug, wie ihn das Grundgesetz kenne, noch der fraktionsübergreifende Kompromissvorschlag von Christen die nötige Mehrheit gefunden.
Interessant zudem: Bei Gewissensentscheidungen mache Tietze keine Kompromisse und lasse sich nicht einmal von seiner Fraktion disziplinieren. Allerdings seien Gewissensentscheidungen sehr selten im Landtag. Denn solch schwerwiegende Entscheidungen, etwa zu Sterbehilfe und Bundeswehreinsätzen, würden im Bundestag getroffen. Verändern ließen sich Dinge immer nur, wenn man sich selber engagiere – das erklärte Thomas Castens aus dem niedersächsischen Kultusministerium dem Publikum.
Nach den Vorträgen ging’s für die Teilnehmenden dann selbst in die Praxis. In einem Planspiel avancierten sie zu Mitgliedern eines fiktiven Jugendhilfeausschusses. Dieser sollte entscheiden, ob die Ganztagsbetreuung an einer Grundschule von der Schule selbst übernommen oder von einem Verbund zweier freier Träger werden soll. Es galt, Strategien zu entwickeln, Gespräche zu führen und Verbündete für die eigene Position zu suchen – eine völlig neue, aber durchaus interessante Erfahrung für die Teilnehmenden.
Autoren: Sigrid Müller und Friedemann Kretzer