{"id":31473,"date":"2019-04-18T10:30:28","date_gmt":"2019-04-18T08:30:28","guid":{"rendered":"https:\/\/www.cvjm-blog.de\/?p=31473"},"modified":"2019-04-18T10:34:49","modified_gmt":"2019-04-18T08:34:49","slug":"vom-ankommen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/blogarchiv.cvjm.de\/2019\/04\/18\/vom-ankommen\/","title":{"rendered":"Vom Ankommen in einer Fl\u00fcchtlingsunterkunft"},"content":{"rendered":"

[Ein Beitrag von Lilli Wiebe]<\/p>\n

Wie l\u00e4uft die Ankunft von Gefl\u00fcchteten in Deutschland ab und wie f\u00fchlt sich das an?<\/strong><\/p>\n

\"ankommen\"<\/a>

Geordnetes Durcheinander beim Ankommen<\/p><\/div>\n

Diese Frage zu beantworten war Ziel des erlebnisp\u00e4dagogischen Planspieles der CVJM-Hochschule, an dem ca. 60 Studierende des vierten Semesters teilnahmen. Im Rahmen des Moduls \u201eIntegration, Migration, Interkulturalit\u00e4t, Asyl und Flucht\u201c mussten sie zur Fl\u00fcchtlingshilfe des Landkreises Kassel in Fuldabr\u00fcck \u201efliehen\u201c.<\/p>\n

Am Morgen des 11. April wurde die normale Vorlesung von Bijan Otmischi im Modul \u201eAsyl und Flucht\u201c unterbrochen und die \u201eFlucht\u201c angek\u00fcndigt. Zun\u00e4chst erhielten die Studierenden einen Crashkurs in Russisch, um das Gef\u00fchl f\u00fcr das Erlernen einer Fremdsprache zu erhalten. Danach bekam jeder nach dem Zufallsprinzip eine neue Identit\u00e4t zugeteilt. Die Identit\u00e4ten waren nach Farben sortiert und stammten aus vier L\u00e4ndern: der T\u00fcrkei, Afghanistan, Zentralafrikanische Republik und dem Irak. Zudem gaben die \u201eIdentit\u00e4tskarten\u201c Auskunft \u00fcber die einzelne Person und Aufgaben, die w\u00e4hrend des Spiels erledigt werden sollten. So gab es z. B. Familien, die sich auf der Reise verloren hatten und ihre Familienmitglieder in der Unterkunft wiederfinden mussten.<\/p>\n

\"ankommen\"<\/a>

Teilnehmende kommen an und werden den R\u00e4umen zugewiesen<\/p><\/div>\n

Die Studierenden machten sich teilweise, ihren Aufgaben gem\u00e4\u00df, zu Fu\u00df oder mit dem Fahrrad auf den Weg von Kassel-Bad Wilhelmsh\u00f6he nach Fuldabr\u00fcck. Bei der Ankunft in der Unterkunft wurden sie je nach Farben bzw. Nationen in die ersten R\u00e4ume der Aufnahmeeinrichtung geschickt, in denen dann entweder eine medizinische Untersuchung, ein Interview oder eine erkennungsdienstliche Aufnahme auf sie warteten.<\/p>\n

\"Warteschlange\"<\/a>

Langes Warten und Unsicherheit erleben viel gefl\u00fcchtete. Deshalb waren diese geplante Inhalte des Planspieles \u201eAnkommen\u201c.<\/p><\/div>\n

Doch nicht nur der Tag, auch die Nacht wurde vor Ort verbracht. Viel Schlaf gab es nicht, da schon um 4:30 Uhr einer der Studierenden \u2013 seiner Rolle gem\u00e4\u00df \u2013 lautstark versuchte, seine Weiterreise nach Schweden zu erzwingen.<\/p>\n

Nach Beendigung des Planspiels mussten die Studierenden selbst\u00e4ndig ihren Weg zur\u00fcck zur CVJM-Hochschule finden, um dort p\u00fcnktlich um 8:00 Uhr schon in der n\u00e4chsten, normalen, Vorlesung zu sein.<\/p>\n

Feedback und Fazit<\/h4>\n

Ein \u201eorganisiertes Chaos\u201c wie fehlende Informationen, langes Warten und viel Unsicherheit waren ein bewusster Teil des Planspiels. Auch die bevorzugte Behandlung einer Nation gegen\u00fcber den anderen Nationen geh\u00f6rte dazu. So erfuhren die Studierenden am eigenen Leib, wie Stress, \u00c4rger, Frust und ein Gef\u00fchl des Ausgeliefert-Seins entstehen \u2013 und wie sich das anf\u00fchlt.<\/p>\n

Den Mitarbeitenden des Landkreises Kassel und der CVJM-Hochschule war dabei sehr bewusst, dass man in einem solchen Planspiel keine reale Flucht und kein reales Ankommen imitieren kann.<\/p>\n

Das Planspiel der CVJM-Hochschule und des Landkreises Kassel hatte vielmehr den Zweck, die Studierenden auf k\u00fcnftige T\u00e4tigkeiten in dem Bereich Soziale Arbeit und Gemeindep\u00e4dagogik vorzubereiten, indem sie in die Rolle von Gefl\u00fcchteten schl\u00fcpfen. So sollten sie den Ankommens-Prozess, soweit es m\u00f6glich ist, aus deren Sicht wahrnehmen. Die Erfahrungen aus dem Planspiel werden dabei helfen, entsprechende Konzepte f\u00fcr die sp\u00e4tere Arbeit zu entwickeln.<\/p>\n

Nach Beendigung des Planspiels wurde pers\u00f6nlich und in der Gruppe reflektiert. Es wurde besprochen, was die Situation mit dem Einzelnen und der Gruppe gemacht hat und wie diese Erfahrungen in der sp\u00e4teren T\u00e4tigkeit als Sozialarbeiter\/-in oder Gemeindep\u00e4dagoge\/-p\u00e4dagogin angewendet werden k\u00f6nnen.<\/p>\n

Ein besonderer Inhalt der Reflektion war das Gespr\u00e4ch mit einem wirklich Gefl\u00fcchteten aus dem Iran. Die Geschichte seiner Flucht und seines Ankommens in Deutschland hatte auch dazu beigetragen, das Planspiel in Bezug zur Realit\u00e4t der Situation der Gefl\u00fcchteten in Deutschland zu setzen.<\/p>\n

Stimmen der Teilnehmenden<\/h4>\n

Reaktionen der Teilnehmenden waren z. B.: \u201eIch habe mich wie ein Nummer gef\u00fchlt und gar nicht wie ein Individuum. Niemand war an meiner pers\u00f6nlichen Geschichte interessiert\u201c oder auch \u201eIch habe mich ganz alleine gef\u00fchlt. Wie mag das wohl Gefl\u00fcchteten gehen, die niemanden kennen und wirklich ganz allein sind?\u201c<\/p>\n

Dadurch, dass die Situation f\u00fcr einige Studierende emotional und k\u00f6rperlich sehr belastend war, kam eine Studierende am Ende f\u00fcr sich zu dem Schluss: \u201eJetzt verstehe ich die Gefl\u00fcchteten etwas besser.\u201c<\/p>\n

F\u00fcr ihre sp\u00e4tere Arbeit mit Gefl\u00fcchteten nimmt eine Studierende mit: \u201eIch m\u00f6chte jeden Menschen mit seiner Geschichte sehen. Niemand flieht ohne Grund.\u201c<\/p>\n

Lilli Wiebe, Modulverantwortliche des Moduls \u201eMigration, Integration, Interkulturalit\u00e4t, Asyl und Flucht\u201c<\/em><\/p>\n


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Das Planspiel in der Presse, z. B.<\/strong><\/p>\n